FEBRUAR 2021 – FIPS-NEWS NR. 30: TRADITIONSPFLEGE DER BUNDESWEHR AM BEISPIEL DER GEBIRGSJÄGER MIT DEM EDELWEIẞ
Editorial
Vom 18. – 26. November 2018 fand ein deutsch-griechisches Seminar der Politischen Bildung der „Wilden Rose e.V.“ in Bayern statt. Das Thema des Fachkräfteaustausches war „Die Traditionspflege der Bundeswehr am Beispiel der Gebirgsjäger mit dem Edelweiß“. In der Einladung hierzu hieß es:
„Die Bundeswehr versucht, ihren Rekruten Werte zu vermitteln, die sich deutlich von denen der Wehrmacht im NS-Regime unterscheiden. Trotzdem gibt es immer wieder Vorfälle, wo deutlich wird, dass in den Kasernen Anknüpfungen an die Geschichte der Wehrmacht im 3. Reich aktiviert werden. Besonders interessant ist dies im Falle der Gebirgsjäger mit dem Edelweiß, deren Geschichte dadurch gekennzeichnet ist, dass sie im 2. Weltkrieg im Balkan und in Griechenland Massaker an der Zivilbevölkerung verübt hatten, die bis heute nicht gesühnt sind.
In Mittenwald fanden jahrelang Gedenkfeiern der Veteranen der Wehrmacht zusammen mit der Bundeswehr statt. Zwei Kasernen waren nach Generälen der Division Edelweiß benannt, von denen einer in Yugoslawien wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt worden war.
In den 80er Jahren bildete sich eine Gruppe, die Demonstrationen und Öffentlichkeitsarbeit gegen diese Gedenkfeiern organisierte und es schließlich schaffte, dass sich die Bundeswehr davon distanzierte und auch die Kasernen umbenannt wurden.
Wir wollen in die Kaserne nach Mittenwald fahren und uns dort mit dem Jugendoffizier unterhalten und Rekruten befragen. Wir treffen uns auch mit Vertretern des Arbeitskreises und wollen wissen, gegen welche Widerstände und wie sie damals ihre Interessen durchgesetzt haben. Wir wollen auch Jugendliche dazu befragen, wie gut sie über diese Ereignisse informiert sind.
Für unsere griechischen Partner ist es besonders interessant, aus erster Hand zu erfahren, wie heute in Deutschland über die Greueltaten im Zweiten Weltkrieg gedacht wird.“
Traditionspflege der Bundeswehr am Beispiel der Gebirgsjäger mit dem Edelweiß
Dokument aus Merkur.de:
Gebirgsjäger in der Kritik
Edelweiß-Kaserne: Junge Griechen müssen draußen bleiben
- von Christof Schnürer
Die Verbrechen der deutschen Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg sind unbestritten. Junge Griechen wollten darüber mit Mittenwalder Rekruten diskutieren. Doch die Tore der Edelweiß-Kaserne blieben für die enttäuschte Delegation zu. Das betroffene Bataillon 233 nennt dafür terminliche Gründe.
Mittenwald – Wie sehr die Greuel der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ins Hier und Jetzt reichen, beweist der Dokumentarfilm von Chrysanthos Konstantinidis. Sein „The Balcony – Memories of Occupation“, der am kommenden Donnerstag in Berlin erstmals in der Bundesrepublik gezeigt wird, behandelt ein ganz dunkles Kapitel der Gebirgsjäger: das Massaker von Lingiades am 3. Oktober 1943. 83 Einwohner – das jüngste Opfer war zwei Monate, das älteste 100 Jahre alt – brachten die deutschen Soldaten um. Es war die Vergeltung für die Ermordung von Oberstleutnant Josef Salminger, Vater des späteren Mittenwalder Bürgermeisters, durch griechische Partisanen. „Was hier in Lingiades und an vielen anderen Orten Griechenlands in den Jahren zwischen 1941 und 1944 geschah, verstört bis heute“, sagte Bundespräsident Joachim Gauck, als er am 7. März 2014 am Mahnmal in Lingiades einen Kranz niederlegte.
Schatten der Vergangenheit
Die Schatten der Vergangenheit legen sich nach wie vor über die deutsche Geschichte. Ein Grund für den Verein „Wilde Rose“, dieses heikle Thema dort zu diskutieren, wo die Gebirgsjäger unter anderem beheimatet sind: in Mittenwald. Dorthin wollte dieses interkulturelle Jugendnetzwerk im Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) zehn junge Griechen der Organisation Agrio Rodo begleiten. In der Edelweiß-Kaserne sollte mit Rekruten des Bataillons 233 diskutiert werden, wie ihnen die Geschichte ihrer Einheit im Zweiten Weltkrieg vermittelt wird, und wie sie selbst dazu stehen. „Leider kam es zu einer solchen Begegnung nicht, da in der Kaserne niemand bereit beziehungsweise in der Lage war, sich mit den jungen Griechen zusammenzusetzen“, bedauert Organisator Herbert Swoboda. „Es drängt sich der Eindruck auf: Die wollten das nicht!“ Also zog die Delegation unverrichteter Dinge ab – und schaute sich das Gebirgsjäger-Ehrenmal auf dem Hohen Brendten an. Nichts desto weniger betont Swoboda: „Die Griechen waren sehr enttäuscht.“ Zumal sie die Bundeswehr-Soldaten mit zum Teil provokativen Fragen konfrontieren wollten. Beispiele hierfür sind: Wie fühlen sich Ihrer Meinung nach die Soldaten, dass sie zu einer Einheit gehören, die eine solche Geschichte hat? Nimmt das Bataillon „Edelweiß“ an Gedenkveranstaltungen der Opferdörfer in Griechenland teil? oder Inwieweit ist die Fortführung des Namens „Edelweiß“ mit dem neuen Traditionspflege-Erlass zu vereinbaren?
Bataillon sagt Nein
Dass es nicht zu einem Gespräch zwischen jungen Griechen und jungen Deutschen kam, hat aus Sicht des Bataillons rein terminliche Gründe. „Unsere Grundausbildung ist zu eng ausgeplant, als dass eine Diskussionsrunde innerhalb der Dienstzeit machbar wäre“, teilt Presseoffizier Dennis Arians der „Wilden Rose“ mit.
Der stellvertretende Kommandeur des Bataillons 233, Mario Klötzer, wird gegenüber dem Tagblatt konkreter. „Wir waren nicht unhöflich“, versichert der Oberstleutnant. „Wir setzen uns seit Jahrzehnten mit Kriegsverbrechen auseinander.“ Das sei ein wesentlicher Baustein der politischen Bildungsarbeit – gerade mit Rekruten. Doch eines ist für Klötzer auch klar: „Bundeswehr-Tradition beginnt mit der Aufstellung der Bundeswehr.“ Hitlers Wehrmacht sei keinesfalls „traditionsstiftend“.
Brief an Ministerin
Trotz der Beteuerungen aus der Edelweiß-Kaserne hat die „Wilde Rose“ einen Brief an Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geschickt. Leider sei man mit dem Anliegen gescheitert, in Mittenwald über Geschichtsaufarbeitung zu sprechen. „Was wir bedauern“, heißt es in dem Schreiben. „Wir glauben nicht, dass dies im Sinne des neuen Traditionspflegeerlasses ist.“
Ferner berichten Swoboda und Co. der Politikerin, dass wir „zu unserem großen Erstaunen“ auf dem Hohen Brendten „einen Kranz von Ihnen als Ministerin der Verteidigung“ vorfanden – nicht etwa an der neuen Tafel für die Gefallenen der Bundeswehr, sondern am Denkmal der Gefallenen beider Weltkriege. „Zufall oder Absicht?“
14.1.2019
Zwei Vorträge auf dem deutsch-griechischen Fachkräfteaustausch „Traditionspflege der Bundeswehr am Beispiel der Gebirgsjäger mit dem Edelweiß“ vom 18.-26. November 2018
Zu den Verbrechen der Gebirgsjäger mit dem Edelweiß im Zweiten Weltkrieg
Die mörderische Spur der Gebirgsjäger begann nicht erst in Griechenland. Hermann Frank Meyer hat in seiner Studie, „Blutiges Edelweiß, die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg“, den mörderischen Weg der Edelweiß-Division im Krieg gegen Polen, gegen die Sowjetunion, in Jugoslawien, in Albanien und in Griechenland ausführlich nachgezeichnet.
In dem am 22. Juni 1941 begonnenen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion befehligte General Kübler das XXXXIX. Gebirgs-Armeekorps zu dem auch die 1. Gebirgsdivision, die Edelweißdivision, unter Generalmajor Lanz gehörte. Am 30. Juni 1941 besetzten Einheiten der 1. Gebirgsdivision die im Osten Galiziens gelegene Stadt Lemberg. Nach dem Einrücken der 1. GD in Lemberg schwor Oberstleutnant Salminger am 30. Juni 1941 seine Männer des 98. Regiments auf
„die Notwendigkeit dieses Kampfes gegen die jüdisch-kommunistische Verbrecherbande“ ein: „Jeder deutsche Soldat, der Blut oder Leben (…) lassen muß, [muß] tausendfach gerächt werden“.1
Zusammen mit in deutschen Uniformen kämpfenden Ukrainern wurde die jüdische Bevölkerung Lembergs drangsaliert und bestialisch ermordet. Als am 2. Juli die 1. Gebirgsdivision aus der Stadt nach Osten abzog, waren 4.000 Juden Lembergs dem Pogrom zum Opfer gefallen.2
Da der Angriff der Wehrmacht in der Sowjetunion auf den Widerstand der Bevölkerung traf, befahl General Ludwig Kübler ein verbrecherisches Morden gegen die Zivilbevölkerung:
„(1) Gewalttätigkeiten und Bedrohungen gegen Angehörige der Deutschen Wehrmacht und ihres Gefolges werden mit dem Tode bestraft. Sind die Täter nicht zu ermitteln, so werden an den festgenommenen Geiseln Repressalien verübt. (2) Wer nicht zu seinem Arbeitsplatz zurückkehrt oder seine Arbeit niederlegt, wird als Saboteur erschossen. (3) […] Personen, die russischen Soldaten und politischen Funktionären Unterschlupf gewähren, werden erschossen. (4) Sämtliche Schusswaffen sind […] bei der Miliz abzuliefern. Auf Verstößen steht die Todesstrafe – Ludwig Kübler.“3
Nach den strategischen Niederlagen (Stalingrad, Kaukasus, Kursk, Nordafrika und Sizilien) wurden die deutschen Truppen in Griechenland aufgerüstet. Bereits im April 1943 war die 1. Gebirgs-Division nach schweren Kämpfen und großer Dezimierung (manche Kompanien bestanden aus 13 statt ursprünglich 130 Soldaten) zur Auffrischung nach Montenegro verlegt worden, dort jedoch erneut in verlustreiche Kämpfe mit Partisanen geraten.
Im Frühsommer 1943 rückte dann das XXII. Gebirgs-Armeekorps unter Generalleutnant Hubert Lanz (Sitz in Ioannina) mit dessen Kerntruppe, der 1. Gebirgs-Division unter Generalmajor von Stettner in den Nordwesten Griechenlands, den Epirus, ein. Ihre Aufgabe sollte es sein, im Epirus die Zivilbevölkerung durch Brutalität einzuschüchtern und zu terrorisieren, die Partisanen zu bekämpfen und einer möglichen Landung alliierter Truppen Widerstand zu leisten.
Die Gebirgsjäger spielten auch eine entscheidende Rolle bei dem Unternehmen Griechen gegen Griechen kämpfen zu lassen und den „nationalen“ Teil der griechischen Partisanen (Andarten) unter der Prämisse des Kampfes gegen den Kommunismus als griechische Kollaborationstruppen aufzubauen und zu bewaffnen und diese gegen die ELAS zu lenken. Die Folge war neben dem Partisanenkrieg der ELAS gegen die deutschen Besatzer ein schon 1943 beginnender Bürgerkrieg zwischen den Partisanen der ELAS und den mit der Wehrmacht kollaborierenden Truppen, vor allem der EDES unter Napoleon Zervas, die mit der Gebirgs-Division ein „Stillhalteabkommen“ schloss. Die EDES zusammen mit den Sicherheitsbataillonen der Kollaborationsregierung sicherten 1944 den Rückzug der Wehrmacht aus Griechenland.4
Das 98. Gebirgsjägerregiment der 1. Gebirgsjäger-Division unter der Führung des Oberstleutnants Josef Salminger erhielt von von Stettner den Auftrag, die „Säuberung“ der Hauptverkehrsstraße von Ioannina über Arta nach Preveza durchzuführen.
Um das mörderische Unternehmen effektiver zu gestalten, befahl die Divisionsführung unterschrieben vom damaligen Stabsoffizier der Division, Oberstleutnant Karl Wilhelm Thilo, dem 98. Gebirgsjägerregiment am 24.7.1943:
„… Es wird befohlen:
Festnahme von Geiseln in sämtlichen Ortschaften, die durch Gegenüberstellung mit der ansässigen Bevölkerung
- Bandenführer feststellen und melden
- Ortsfremde Bevölkerung feststellen.
Ortsfremde Bevölkerung wird wie Angehörige von Banden behandelt und abgeschoben. Männliche Bevölkerung, die mit der Waffe in der Hand angetroffen wird oder sich in der Nähe von Banden befindet, wird erschossen.“5
Nach Abschluss der vom 22. – 26. Juli dauernden Operation meldete der Ia der Division, Karl Wilhelm Thilo, im Abschlussbericht „…eingebrachte Beute: …150 tote(n) Banditen, 90 Geiseln…“6
Kein Wort enthielt der Bericht darüber, dass 133 dieser angeblichen 150 Banditen in Wirklichkeit Männer, Frauen, Kinder und Greise im Alter von 1 bis 75 Jahren des Dorfes Mousiotitsas waren. Sie wurden am 25.7.43, ohne dass es zu einem Gefecht gekommen war, niedergemetzelt. In Mousiotitsa wurden Häuser, Hütten und die Infrastruktur zerstört und verbrannt. Die Täter waren vom 98. Gebirgsjägerregiment, dessen Kommandeur Oberstleutnant Salminger war.7
Am 7. August 1943 wurde ein neuerliches „Säuberungsunternehmen“ befohlen. Im Befehl an die Kommandoeinheiten hieß es u. a.:
„Alle Bewaffneten werden grundsätzlich an Ort und Stelle erschossen. Dörfer aus denen geschossen wird, oder in denen Bewaffnete angetroffen werden, sind zu vernichten, die männliche Bevölkerung dieser Dörfer zu erschießen. Im Übrigen sind alle wehrfähigen Männer (16 bis 60 Jahre alt) zu erfassen und als Gefangene nach Ioannina abzuschieben.“8
Salmingen fuhr in dem Moment zum Dorf Kommeno, als auf dem Dorfplatz Andarten die Naturalabgabensteuer einholten. Salmingers Fahrer fuhr beim Anblick eines MG‘s vor Schreck den Kübelwagen in den Straßengraben. Die Andarten flohen und die Dorfbewohner zogen den Wagen wieder auf die Straße.
Am Morgen des 16. August 1943 fuhren 120 Gebirgsjäger der 12. Kompanie des 98. GJR unter ihrem Kompanieführer Hauptmann Willibald Röser in Begleitung des Führers des III. Bataillons, Major Reinhold Klebe, zur „Vergeltungsmaßnahme“ nach Kommeno. Die einmarschierenden Gebirgsjäger warfen Handgranaten in die Häuser und schossen durch die verschlossenen Türen mit Maschinenpistolen. Eine Hochzeitgesellschaft, die am Vortag noch gefeiert hatte, wurde einschließlich der Kinder erschossen.
Vor dem Krieg hatte Kommeno 657 Einwohner. 317 Tote wurden nach dem Massaker gezählt, davon 172 weiblichen und 145 männlichen Geschlechts. 97 waren jünger als 15 Jahre und 14 waren älter als 65 Jahre. 13 waren ein Jahr alte Babys. 38 Menschen verbrannten in ihren Häusern. 181 Häuser wurden zerstört, nur zwei Häuser blieben erhalten. Beide Priester des Dorfes wurden ermordet. Das Dorf wurde geplündert. 600 Schafe und Ziegen, 388 Kühe und Ochsen und 64 Pferde wurden gestohlen.9
In der Abendmeldung der Täter hieß es:
„Beute: Etwa 150 tote Zivilisten, 16 Stück Großvieh, 1 LKW Wollsachen, 5 ital. Karabiner, 1 ital. M.P.“.10
Thilo der Ia beim Divisionsstab meldete am nächsten Tag an den Deutschen Generalstab bei der italienischen 11. Armee in Athen statt 150 tote Zivilisten „150 tote Banditen“. Oberleutnant Kurt Waldheim trug weiter verfälschend in das dortige Kriegstagebuch ein:
„Im Bereich der 1. Geb.Div. Ort Kommeno (…) gegen heftigen Feindwiderstand genommen. Hierbei Feindverluste.“11
Im Gebiet von Paramythia und Fanari wütete unter dem Kommando von Oberst Josef Remold das 99. Regiment der 1. Gebirgs-Division zusammen mit kollaborierenden muslimischen Einheiten aus der Minderheit der Tsamen. Es kam zu massenhaften Plünderungen und Brutalitäten in den Dörfern. Als bei einem Gefecht mit Andarten 6 deutsche Soldaten getötet wurden, wurden 60 Bürger Paramythias aus Rache am 29. September 1943 vor einem zuvor von Geiseln ausgehobenen Massengrab erschossen.12
Mit diesen sogenannten „Säuberungsaktionen“ der Gebirgsjäger sollten im Epirus, der bis auf die italienischen Garnisonsstädte bereits unter der Kontrolle der Partisanen war, die Bevölkerung terrorisiert und demoralisiert werden.
„Im Epirus ermordeten die Gebirgsjäger der Edelweiß-Division allein in den ersten zwei Monaten nach ihrem Einfall in Griechenland über 2.000 Menschen und zerstörten 200 Dörfer.“13
Diese „Säuberungsaktionen“ hatten alle zum Ziel den Widerstandswillen der Bevölkerung zu brechen und ihre Verbindung zu den Partisanen zu zerstören sowie die sich unter der Zivilbevölkerung verborgenen Partisanen zu vernichten.
Als Salminger am 1. Oktober 1943 durch eine von Partisanen errichtete Straßensperre ums Leben kam, forderte der Kommandierende General Lanz des XXII. Gebirgsarmeekorps im Tagesbefehl, dass die 1. Gebirgs-Division diesen „ruchlosen Banditenmord … in einer schonungslosen Vergeltungsaktion … rächen wird“.14
Am 3. Oktober 1943 massakrierten die Gebirgsjäger die Bevölkerung des Dorfes Lyngiades in den Bergen nahe Ioannina. 87 Zivilisten wurden ermordet, darunter einjährige Säuglinge und 90jährige Greise. Das Dorf wurde geplündert und vollständig niedergebrannt und zerstört. Von Ioannina konnte man das brennende Dorf auf den Bergen von weitem sehen.15 Insgesamt wurden während dieser „Vergeltungsaktion“ 200 Zivilisten ermordet und ein Dutzend Dörfer zerstört.16
Selbst Ioannis Rallis, Ministerpräsidenten der griechischen Kollaborationsregierung (April 1943 – Oktober 1944), blieben die Verbrechen nicht verborgen und besorgt wegen der Zunahme des Widerstands der Bevölkerung, schrieb er am 19.12.1943 an General Speidel, den Militärbefehlshaber Griechenland in Athen:
„… Bei dieser Gelegenheit sei es mir gestattet, Ihnen mitzuteilen, dass einige Dörfer des griechischen Epirus, infolge von Erschießungen völlig ausgerottet wurden. So wurde das Dorf Kommeno bei Arta, welches ca. 1000 Einwohner zählte, das Opfer einer furchtbaren Dezimierung. 750 Einwohner dieses Dorfes wurden von deutschen Soldaten erschossen. In dem Dorf Lyngiaddes bei Paramythia wurden 82 Einwohner erschossen, unter diesen 42 Kinder unter 15 Jahren. … die Zahl der in dem Bereich des Generalgouvernements Epirus in Brand gesteckten Dörfer beträgt nach offiziellen Meldungen an mich mehr als 100.“17
Major Harald von Hirschfeld, der den Kompanieführer Röser ersetzt hatte, war zusammen mit Klebe im Oktober 1943 führend verantwortlich für das auf Kefalonia an über 4.000 italienischen Soldaten verübte Massaker.18
Mitte November wurde die 1. Gebirgs-Division zur Partisanenbekämpfung nach Bosnien und Kroatien verlegt und operierte bis zum Kriegsende als schnelle Eingreiftruppe überall in Südosteuropa. Das XXII. Gebirgs-Armee-Korps blieb in Griechenland und beteiligte sich an Geiselerschießungen und an der Deportation der jüdischen Bevölkerung aus Westgriechenland.19
General Kübler wurde am 10. Oktober 1943 zum Befehlshaber aller Truppen des nördlichen Adriatischen Küstenlandes ernannt Seine vordringliche Aufgabe war dort die Bekämpfung der im Jahre 1943 mit Erfolg gegen die deutschen Besatzer kämpfenden italienischen, albanischen, kroatischen und slowenischen Partisanen. Am 24. Februar 1944 erließ Kübler den Korpsbefehl Nr. 9. Dort heißt es:
„Im Kampf ist alles richtig und notwendig, was zum Erfolg führt. Ich werde jede Maßnahme decken, die diesem Grundsatz entspricht. […] Gefangene Banditen sind zu erhängen oder zu erschießen. Wer die Banditen durch Gewährung von Unterschlupf oder Verpflegung, durch Verheimlichung ihres Aufenthaltes oder sonst durch irgendwelche Maßnahmen freiwillig unterstützt, ist todeswürdig und zu erledigen. […] Kollektivmaßnahmen gegen Dörfer […] sind am Platz, wenn die Einwohnerschaft in ihrer Masse die Banden freiwillig unterstützt hat. […] Dass im Kampf bisweilen auch Unschuldige mit Gut und Blut unter die Räder kommen, ist bedauerlich, aber nicht zu ändern […] Handelt danach!
gez. Kübler
General der Gebirgstruppen
Dieser Befehl ist bis zu den Kompanien zu verteilen.
Seine Grundsätze sind allen Offizieren, Uffz. und Mannsch. immer wieder einzuhämmern.“20
Angestachelt durch diesen Befehl wurden unzählige Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung begangen. Im Mai 1945 wurde Kübler von jugoslawischen Partisanen gefangen genommen. 1947 wurde er von einem jugoslawischen Militärgericht wegen seiner Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und dann hingerichtet.
16.11.2018 Dr. Peter Milde
Endnoten
1 Johannes Heer: In: Die Zeit Nr. 26 (21.6.2001).
2 Hamburger Institut für Sozialforschung [Hg.]: Verbrechen der Wehrmacht – Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 – 1944, Ausstellungskatalog, Hamburg 2002, S. 94 – 99.
3 BA-MA (RH 24-49/14) Befehl des Stadtkommandanten, abgedruckt in: Roland Kaltenegger: Ludwig Kübler – General der Gebirgstruppe. Stuttgart 1998, S. 168f.
4 Meyer, Blutiges Edelweiß, Kapitel VII.
5 BA-MA Freiburg, RH 28-1/98. K.T.B. Notiz. 24.7.43; Athanasios Gotovos, in: Bachsteffel/Löser, S. 43.
6 BA-MA Freiburg, RH28-1/98 Abschlussmeldung. 29.7.43.
7 Athanasios Gotovos: Die Besatzungserfahrung im Unterricht zum Aufbau eines friedlichen Europas: Das Beispiel Moussiotitsa; In: Walter Bachsteffel, Sylvia Löser (Hg): Kefalovriso, Mousiotitsa, Kommeno, Paramythia, Lingiades – Erinnerung für eine gemeinsame Zukunft, Eigenverlag Bachsteffel, Löser, Paramythia 2009, S. 33 – 42.
8 NA, T-315/65/787-8, Divisionsbefehl für Säuberungsunternehmen Augustus, 7.August 1943; nach: Hermann Frank Meyer: Blutiges Edelweiß. Die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg, Ch. Links-Verlag, Berlin 2007, S. 2002; siehe auch: Hermann Frank Meyer: „Mousiotitsa – Kommeno – Lyngiades“; In: Gerd R. Ueberschär, Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, Primus-Verlag: Darmstadt 2003.
9 Hermann Frank Meyer: Kommeno – Erzählende Rekonstruktion eines Wehrmachtsverbrechens in Griechenland, Romiosini-Verlag, Köln 1999, S. 58ff;
10 BA-MA Freiburg, RH28-1/102, Abendmeldung. 16.8.43
11 BA-MA Freiburg, RH 31X/1, Kriegstagbuch 1; Deutschlandfunk Online, Die Verbrechen der Gebirgsjäger, 31.3.2008. Waldheim arbeitete im Stab des später als Kriegsverbrecher hingerichteten Generalmajors Alexander Löhr;
12 Panagiotis Chr. Tsamatos: Paramythia; In: Walter Bachsteffel, Sylvia Löser (Hg): Kefalovriso, Mousiotitsa, Kommeno, Paramythia, Lingiades – Erinnerung für eine gemeinsame Zukunft, Eigenverlag, Paramythia 2009, S. 118 – 127.
13 Silvia Löser/Walter Bachsteffel: Blutspur in die Zukunft?; In: Walter Bachsteffel, Sylvia Löser (Hg): Kefalovriso, Mousiotitsa, Kommeno, Paramythia, Lingiades – Erinnerung für eine gemeinsame Zukunft, Eigenverlag, Paramythia 2009, S. 11; Nach: H. F. Meyer, Blutiges Edelweiß, Ch. Links Verlag, Berlin 2008.
14 Kopie des Dokument in: Walter Bachsteffel / Sykvua Löser (Hg), S. 203.
15 Meyer: Kommeno, S. 107ff.
16 Meyer: Kommeno, S. 103ff.
17 Dokument abgedruckt in: Bachsteffel / Löser, S. 193 – 196
18 Herman Frank Meyer, „Mousiotitsa – Kommeno – Lyngiades“; In: Gerd R. Ueberschär, Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, Primus-Verlag: Darmstadt 2003, Endnote 27.
19 Meyer, Blutiges Edelweiß, Kapitel VIII.
20 Führung des Bandenkampfes, Korpsbefehl Nr.9, Bundesarchiv-Militärarchiv RW4/v.689; Roland Kaltenegger: Operationszone „adriatisches Küstenland“ – Der Kampf um Triest, Istrien und Fiume 1944/45. Graz/ Stuttgart 1993, S. 66 f; Gerhard Schreiber: Die Wehrmacht und der Partisanenkrieg in Italien. S. 262.
„Angreifbare Traditionspflege“ in der Bundeswehr
Seit 1956 sind Gebirgsjäger mit dem Edelweiß wieder in der Kaserne in Mittenwald stationiert.
Dieser Heeresteil der Bundeswehr ist auf den Einsatz in schwierigem Gelände und unter schwierigen Wetterverhältnissen spezialisiert. Sie haben daher den Nimbus von Eliteeinheiten und waren bzw. sind bei zahlreichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr, etwa in Bosnien, Kroatien, Afghanistan, Somalia und in Mali beteiligt.
Neben der Liste der Auslandseinsätze gibt es auch eine Liste der Skandale, in die Gebirgsjäger verstrickt waren:
- 1993: Soldaten grölen im Zug nach Bad Reichenhall rechte Parolen.
- 1996: Auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg drehen Gebirgsjäger ein Video mit Hinrichtungs- und Vergewaltigungsszenen. Ein Soldat zeigt den Hitlergruß.
- 2006: Im Afghanistan posieren zwei Soldaten mit Totenschädeln für Erinnerungsfotos.
- 2007 wurde ein Hauptgefreiter aus Mittenwald verurteilt, weil er bei einer Schießübung „Stirb, du Jud!“ gebrüllt hatte.
- 2010: In der Kaserne in Mittenwald müssen Neulinge entwürdigende Aufnahme-Rituale über sich ergehen lassen.
- 2010: In Afghanistan zielt ein Gebirgsjäger auf einen anderen und erschießt ihn.1
Skandalös war aber auch die Traditionspflege der Gebirgsjäger.
„Angreifbare Traditionspflege“ der Gebirgsjäger
1952 luden die alten Kameraden der Wehrmacht von der 1. Gebirgsdivision, der Gebirgstruppe mit dem Edelweiß, zum ersten Mal zum Pfingsttreffen zu einer Gedenkfeier ein. Anfangs fanden diese in München vor der Feldherrnhalle statt.
1957 hatten ehemalige Soldaten der Gebirgstruppe der Wehrmacht ein 14 Meter hohes Ehrenmal auf dem Hohen Brendten errichtet, das an die gefallenen Gebirgsjäger erinnern soll. Danach veranstaltete jährlich zu Pfingsten der Verein „Kameradenkreis der Gebirgstruppe“ nun auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald eine Gedenkfeier.
Seit Pfingsten 2016 findet die Gedenkfeier des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe“ im Rahmen des von den Gebirgsjägern begangenen „Tags der Gebirgssoldaten“ statt, der in Mittenwald mit einem öffentlichen Appell von Gebirgsjägern im Kurpark „Puit“ und einem Gedenkgottesdienst auf dem Hohen Brendten begangen wird.2
Edmund Stoiber, damaliger Ministerpräsident Bayerns und Mitglied des Kameradenkreises der Gebirgsjäger prägte 2001 den Begriff der „unangreifbaren Traditionspflege“. Die Traditionspflege der Gebirgsjäger bezeichnete Stoiber als
„eine unangreifbare Traditionspflege, die in der aufgrund unserer Geschichte insgesamt traditionsarmen Bundeswehr ihresgleichen (suche)“.3
Begleitet wurden die Gedenkfeiern in den folgenden Jahren von Protesten. Pfingsten 2003 wurde die „unangreifbare Traditionspflege“ von einer Reihe von Protestaktionen in Mittenwald unter dem Motto „Angreifbare Traditionspflege“ gestört. Das Bild in der Öffentlichkeit wurde geprägt von einem internationalen Hearing, einer Demonstration, einer Kundgebung und der Veröffentlichung einer Liste von 196 Namen von ehemaligen Gebirgsjägern, deren Einheiten an Massakern in verschiedenen europäischen Ländern beteiligt waren. Ziel dieser Proteste waren die Unterstützung der Forderung von Überlebenden und ihrer Angehörigen nach Entschädigung und die Aufforderung an die Ermittlungsbehörden, Fahndungen und Ermittlungen nach schuldigen Kriegsverbrechern aufzunehmen.
Ein weiteres Ziel der Proteste war es, ein Traditionsverständnis anzugreifen, das die Täterschaft abschafft und keine Täter, sondern nur noch Opfer kennt und das das Unversöhnbare miteinander versöhnen will.
So hieß es:
„Soldaten sind keine Mörder, sie sind vielmehr alle Opfer. Die, die getötet wurden und die, die gezwungen waren zu töten um zu überleben!“4
„Unsere Art der Aufarbeitung geht vielmehr daraufhin, die Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern und den Opfern zu betreiben. Und wir machen das sehr erfolgreich, auch in Griechenland, auch in Kreta.“5
Dass die Brendtenfeiern des Kameradenkreises der Gebirgsjäger ganz im Geist der Traditionspflege der Wehrmacht zu sehen sind, geht hervor aus der Festansprache des ehemaligen Vier-Sterne-Generals und NATO Kommandeurs Europa Mitte, Klaus Reinhardt, zu Pfingsten 2000 am Mittenwalder Gebirgsjägerdenkmal am Hohen Brendten:
Die Gebirgstruppe der Bundeswehr sei
„von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet, die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel […] uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt haben. Diese Männer waren unsere Vorbilder und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten, die der nachfolgenden Generation das Koordinatensystem ihrer Werteordnung weitergegeben haben.“ 6
Als ein Vorbild gilt vermutlich der ehemalige Kommandierende General des XXII. Gebirgsarmeekorps der Wehrmacht, Hubert Lanz, dem in Griechenland ab Juli 1943 die 1. Gebirgsdivision und die 104. Jäger-Division unterstellt war. Im sog. Ostfeldzug kommandierte er die 1. Gebirgsdivision. Er war Mitbegründer und Ehrenvorsitzender des „Kameradenkreises der Gebirgsjäger“. Unter seinem Befehl wurden im September 1943 auf der ionischen Insel Kefalonia 4.200 entwaffnete italienische Soldaten und Offiziere durch die Gebirgsjäger der 1. Gebirgsdivision ermordet.7 Im 7. Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wurde Lanz 1947 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 12 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Nach 3 Jahren wurde Lanz bereits schon 1951 wieder begnadigt. Als Mitglied der FDP wurde er ihr Berater in militär- und sicherheitspolitischen Fragen.
Als einer dieser vorbildhaften Kompaniechefs gilt vermutlich auch Josef Scheungraber, der 1988 vom Kameradenkreis der Gebirgstruppe mit der Goldenden Ehrennadel ausgezeichnet wurde.8 1937 meldete er sich freiwillig zur 1. Gebirgsdivision in Mittenwald. 1944 wurde er kommissarischer „Kompanieführer“ der 1. Kompanie des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818.9 Am Tag nach einem Partisanenangriff am 26. Juni 1944, bei dem zwei Soldaten aus Scheungrabers Kompanie getötet wurden, erschossen seine Soldaten in Falzano di Cortona bei Arezzo in Norditalien zunächst drei zufällig angetroffene Männer und eine 74-jährige Frau. Sodann griffen sie willkürlich dreizehn weitere Zivilisten auf und sperrten elf davon in ein Bauernhaus. Sie sprengten das Gebäude und schossen mit Maschinengewehren in die Trümmer, nur ein fünfzehnjähriger Jugendlicher überlebte schwer verletzt. Scheungraber gab den Befehl dazu.10 Wegen dieses Massakers in Falzano di Cortona verurteilte das italienische Militärgericht in La Spezia Ende September 2006 Scheungraber in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. An der Brendtengedenkfeier der Gebirgsjäger 2007 nahm auch Josef Scheungraber unbehelligt teil.11 Vom Landgericht München wurde Josef Scheungraber am 11. August 2009 wegen zehn aus niedrigen Beweggründen in Falzano di Cortona begangener Morde zu lebenslanger Haft verurteilt.12 Das Urteil wurde 2010 rechtskräftig, da er als haftunfähig galt, erhielt er unbefristeten Strafaufschub.13
Ein anderes Vorbild ist vermutlich auch Karl-Wilhelm Thilo, Oberstleutnant und Stabsoffizier der 1. Gebirgsdivision, der das Fernschreiben an das 98. Gebirgsjägerregiment vom 24.7.1943 unterschrieb, in dem es heißt:
„Ortsfremde Bevölkerung wird wie Angehörige von Banden behandelt und abgeschoben. Männliche Bevölkerung, die mit der Waffe in der Hand angetroffen wird oder sich in der Nähe von Banden befindet, wird erschossen.“14
Ein weiteres Vorbild ist vermutlich auch der Major der Wehrmacht Reinhold Klebe, der Willibald Röser, den Kompanieführer der 12. Kompanie des 98. GJR am 16. August 1943 zum Massaker an der Bevölkerung Kommenos begleitete.
Thilo und Klebe gingen 1955 zur Bundeswehr und bauten die 1. Gebirgs-Division wieder auf. Thilo kommandierte die 1. Gebirgsdivision als Generalmajor vom 8.4.55 bis zum 27.9.67.15
Ein weiteres Vorbild ist vermutlich der General der Gebirgstruppe der Wehrmacht, Ludwig Kübler. 1964 erhielt die Kaserne der Gebirgsjäger in Mittenwald den Namen „General-Kübler-Kaserne“. Über ihn sagte der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß zum dreißigjährigen Jubiläum der 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr am 17. Februar 1986:
„Für die Deutsche Gebirgstruppe war General Ludwig Kübler als Mensch und als Soldat ein Vorbild. Ihm hat die Truppe bis auf den heutigen Tag viel zu verdanken.“16
Erst nach jahrelanger Diskussion und gegen den erbitterten Widerstand des Kameradenkreises der Gebirgsjäger wurde die Kaserne 1995 umbenannt.
Heldengedenken?
Der als Kriegsverbrecher verurteilte General der Gebirgsjäger Lanz verherrlichte 1989 die Gebirgsjäger der Wehrmacht:
„Gut ausgebildet, an Härte und Opfer gewöhnt, geht der Gebirgsjäger in den Krieg (…) Höchste Leistungen zeichnen seinen Weg: Lemberg, Oise-Aisne-Kanal, Narvik, Eismeer, Karelien, Metaxaslinie, Kreta, Uman, Kaukasus, Wolchow und Monte Cassino. Unauslöschlich bleiben diese Namen mit dem Edelweiß verbunden.“17
Allerdings „unauslöschlich“ bleiben diese Orte verbunden mit dem Namen Edelweiß, jedoch nicht als Heldengedenken, sondern als Gedenken an die Opfer des mörderischen Handwerks der Gebirgsjäger.
Dass Gewehr und Kreuz in der Wehrmacht gemeinsam marschierten, gemeinsam Helden gedachten, wird deutlich, wenn der von General Lanz mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnete, ehemalige katholische Wehrmachtspfarrer der Gebirgsjägerdivision 1957 in Helden-Gedenken in alten Zeiten schwelgt:
„Manchmal packt mich bedrängend die Sehnsucht zu den einsamen Heldengräbern und Friedhöfen. Und warum? Weil ich die Männer, die darin ruhen, kannte, schätzte und – liebte. Und schätzen und lieben kann man nur das Große und Tapfere, Heilige und Heroische.“18
Statt solch militaristischem Heldengedenken sollte lieber denjenigen gedacht werden, die sich als Deutsche dem Freiheitskampf der von der deutschen Wehrmacht unterdrückten und massakrierten Bevölkerung anschlossen. So desertierten Wolfgang Abendroth, Ludwig Gehm, Kurt Lohberger, Falk Harnack und Gerhardt Reinhardt aus der Strafdivision 999, in die sie als politische Häftlinge gepresst wurden. Sie kämpften mit der ELAS gegen die Wehrmacht. Falk Harnack und Gerhardt Reinhardt waren an der Bildung des „Antifaschistischen Komitees Deutscher Soldaten – Freies Deutschland“ in Griechenland beteiligt, das Verbände in den Reihen der ELAS aufstellte. Gerade deshalb, weil in NS-Deutschland selbst der Widerstand gering war, umso wichtiger ist es, sich immer wieder von neuem der Aufgabe einer „Erziehung nach Auschwitz“ zu stellen, wie sie Theodor W. Adorno formulierte: „Nein!“ sagen zu staatlicher Repression und Ungerechtigkeit. Hier können wir sehr viel von den Mitgliedern der „Weißen Rose“ auf ihrem Weg zum Widerstand lernen.
16.11.2018 Dr. Peter Milde
Endnoten
1 Quellen: Stern 10.2.10; SZ.de 19.7.11; Frankfurter Zeitung online 27.1.17.
2 Merkur 18.5.17.
3 Ansprache des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber, in: Die Gebirgstruppe Heft 4, August 2001, S. 11.
4 Markus Hauf: 50 jähriges Gründungsfest der Gebirgsjägerkameradschaft Bayrischer Wald in Langdorf, in: Die Gebirgstruppe, Heft 6, 2002, S. 89.
5 Oberstleutnant a.D. Harald Rettenbach, Vorstandsmitglied des Kameradenkreises und früherer Direktor des Pressezentrums der Nato in Brüssel, Quelle: Iris Ockenfels, Ariane Reimers: Verlogene Veteranen – Gebirgsjäger verdrängen Kriegsverbrecher, ARD-Fernsehmagazin Panorama Nr. 627 vom 12. Juni 2003.
6 Eberhard Rondholz, Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2008, S. 9.
7 Siehe: Hans Hermann Meyer, Blutiges Edelweiß. Die 1. Gebirgs-Division im Zeiten Weltkrieg“, Abschnitt VI
8 www.3sat.de, Ruhm oder Schande? 10.7.09.
9 Ich habe ein reines Gewissen. In: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe München. Online, 30.9.08.
10 Martin Wittman: Er ließ Rache üben an Bauern. In: FAZ, 11. August 2009
11 http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0351_scheungraber.htm
12 Lebenslang für NS-Kriegsverbrecher, in: Süddeutsche Zeitung Online-Ausgabe, 11. August 2009, eingesehen am 22. August 2011
13https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Scheungraber
14 Bundesarchiv, Militärarchiv Freiburg, RH 28.1.98; in: Athanasios Gotovos, Die Besatzungserfahrung im Unterricht zum Aufbau eines friedlichen Europas: Das Beispiel Mousiotitsa, in: Walter Bachsteffel / Silvia Löser (Hg.): Erinnerung für eine gemeinsame Zukunft. Kefalovriso, Mousiotitsa, Kommeno, Paramythia, Lingiades, Paramythia 2009, S. 42f.
15 Sylvia Löser, Walter Bachsteffel, Blutspur in die Zukunft? in: Erinnerung für eine gemeinsame Zukunft, S. 42; Hermann Frank Meyer, Mousiotitsa – Kommeno – Lyngiades, in: Gerd R. Ueberschär, Orte des Grauens. Verbrechen im Zeiten Weltkrieg, Primus-Verlag, Darmstadt 2003.
16 Ralph Giordano: Die Traditionslüge. Vom Kriegerkult in der Bundeswehr, Kiepenheuer und Witsch, Köln 2000, S. 300; Die Gebirgstruppe. Mitteilungsblatt des Kameradenkreises der Gebirgstruppe, München, Nr. 1/1996.
17 Vorwort zu Roland Kaltenegger: „Die deutsche Gebirgstruppe 1938 – 1945“, München 1989.
18 Geleitwort des Wehrmachtsgeistlichen Georg Lipp zur Einweihung des Ehrenmals der Gebirgsjägerdivision am 10. Juni 1957, in: Die Gebirgstruppe, München, Heft 2.4, Jg. 1957, S. 187.