FIPS NEWS Nr. 12: Zum Angriffskrieg der NS-Wehrmacht gegen Griechenland und zu dessen Folgen für die griechische Bevölkerung
Editorial
In dieser Ausgabe von FIPS NEWS wird die Veröffentlichung des Vortrags „Zur Rolle der NS-Besatzer und der NS-Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg im besetzten Griechenland“, der am 2. Juni 2018 auf der Sommertagung des Minderner Kreises e.V. in Petershagen gehalten wurde, fortgesetzt.
Der erste Abschnitt mit der Überschrift, Vorbemerkung: Die Verbrechen der NS-Wehrmacht und „die allererste Forderung an Erziehung“, erschien am 1. Januar 2020 in FIPS NEWS Nr. 11.
Diese Ausgabe von FIPS NEWS enthält die beiden Abschnitte:
- Die Unterwerfung Griechenlands – Ziel NS-Deutschlands von Anfang an.
- Zum Angriffskrieg der NS-Wehrmacht gegen Griechenland und zu dessen Folgen für die griechische Bevölkerung.
15.1.2020 Dr. Peter Milde
Veranstaltungshinweis: 14. Februar 2020, Ort: Saalbau Bockenheim, Schwälmer Str.28, Frankfurt, Veranstaltungsbeginn 19:30 Uhr. Ein Lied für Argyris – Dokumentarfilm von Stefan Haupt, CH 2006, 105 Min. Am 10. Juni 1944 musste der damals vierjährige Junge Argyris Sfountouris miterleben, wie während einer „Strafaktion“ einer SS-Division, die einem Partisanenangriff in der Gegend folgte, innerhalb weniger Stunden 218 Bewohner des Dorfes Distomo umgebracht wurden, darunter auch seine Eltern und 30 weitere Angehörige. Nach dem Massaker, das der Junge nur durch einen Zufall überlebte, kam Argyris in einem Waisenhaus in Piräus unter, in dem mehr als 1000 griechische Kriegswaisen lebten. Im Film wird thematisiert, wie die Naziverbrechen aufgearbeitet aber oftmals auch verdrängt werden. Einleitung und anschließendes Filmgespräch mit Peter Milde (ehrenamtlicher Referent für politische Bildung in der Wilden Rose e.V. – interkulturelles Jugendnetzwerk im BDP). Die Veranstaltung vom Dritte Welt Haus e.V. findet im Rahmen der „Antifaschistischen Filmreihe Frankfurt“ statt.
Die Unterwerfung Griechenlands – Ziel NS-Deutschlands von Anfang an
Die Unterwerfung Griechenlands begann nicht erst mit dem Einsatz kriegerischer Mittel. Die Unterwerfung Griechenlands unter die Gewalt NS-Deutschlands war ein langer Prozess, der mehrere Möglichkeiten einschloss, bevor es zum Angriff der Truppen NS-Deutschlands am 6.4.41 kam. Der damalige deutsche Militärattaché in Rom, Enno von Rintelen, verbreitete 1962 die Legende, der Angriff Italiens gegen Griechenland am 28.10.40 sei ohne Zustimmung Hitlers erfolgt. Von Rintelen hat den Mythos in die Welt gesetzt, Hitler habe keinen Krieg gegen Griechenland führen wollen. Die Wirklichkeit zeichnet ein anderes Bild. NS-Deutschland versuchte Jugoslawien und Griechenland wirtschaftlich und politisch in die Knie zu zwingen und sich die dortigen Regierungen untertan zu machen. Als dies nicht gelang, setzte NS-Deutschland auf die militärische Karte und setzte die schon bereit stehenden Soldaten ein.
Bereits einen Monat nach dem Staatsstreich Metaxas 1936 besuchte Goebbels den Diktator Metaxa in Athen, um die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit zu vertiefen. AEG, Siemens und I.G. Farben, u.a. errichteten Niederlassungen und Produktionsstätten in Griechenland. Im April 1939 besetzte Italien Albanien ohne größere Kriegshandlungen. Im September 1939 begann der Überfall NS-Deutschlands auf Polen und die Kriegserklärung Englands und Frankreichs an Deutschland. Griechenland war für die Kriegsziele NS-Deutschlands ein entscheidendes Terrain.
In Griechenland herrschte der royalistisch-rechtsextreme Diktator Metaxa, der sich ideologisch dem Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus verbunden fühlte. NS-Deutschland wollte die Regierung Metaxa zur Eindämmung des englischen Einflusses im östlichen Mittelmeerraum benutzen. Doch Metaxa verfocht eine Doppeldiplomatie und wollte Griechenland nicht von NS-Deutschland in einen Krieg hineinziehen lassen. Dies machte die Pläne NS-Deutschlands, sich Metaxas Griechenland als Satellitenstaat zu bedienen, endgültig zunichte. Metaxa verhandelte nicht nur mit NS-Deutschland, sondern auch mit den Briten. Die Briten gaben 1939 eine Garantieerklärung für Griechenland ab. In den Verhandlungen mit Metaxa unterstützte NS-Deutschland die Expansionsbestrebungen Italiens gegenüber Griechenland. Ziel Deutschlands war es, unter allen Umständen die Briten aus Griechenland fernzuhalten.
Der Inhalt des italienischen Ultimatums vom 28.10.40 an Metaxa, bestand daher im Kern darin, dass die griechische Regierung die Stationierung italienischer Truppen in Griechenland erlauben sollte. Das „Nein“ von Metaxa auf diese Forderung, führte zum Einfall der italienischen Truppen von Albanien in den Epirus. In dieser Phase besetzten die Briten in Absprache mit der griechischen Regierung am 29.10.40 Teile Kretas, stationierten Flugzeuge in Limnos und bei Saloniki und brachten einige Bodentruppen auf das Festland.
Als die griechische Armee den italienischen Vormarsch zurückschlug, bot Britannien Griechenland an, sich mit zwei Divisionen und einer Panzerbrigade an dem Krieg gegen die italienischen Eindringlinge zu beteiligen. Metaxa lehnte das britische Angebot ab, da er NS-Deutschland nicht provozieren wollte und glaubte durch Verhandlungen mit Deutschland eine Neutralität Griechenlands erreichen zu können.
Die Aussicht, dass die Briten in Griechenland eine starke militärische Präsenz mit Militär- und Luftwaffenstützpunkten aufbauen konnten, von der aus sie die rumänischen Ölfelder hätten bombardieren können, hätte die Planung NS-Deutschlands für den Überfall auf die Sowjetunion zunichtemachen können. So begannen in den Wintermonaten 1940 bereits die konkreten Planungen der NS-Wehrmacht für einen Angriff auf Griechenland, während die NS-Diplomaten zur gleichen Zeit in den Verhandlungen mit der griechischen Regierung den Vermittler für eine Einigung zwischen Italien und Griechenland spielten.
Am 13.12.40 erging der Befehl Hitlers „bei günstiger Witterung“ ganz Griechenland zu besetzen. In Vorbereitung dieses Krieges gelang es der deutschen Regierung die jugoslawische Regierung in die Knie zu zwingen, was ihr mit der Regierung Metaxas nicht gelungen war. Die jugoslawische Regierung unterschrieb im März 1941 den Dreimächtepakt. Spontane Demonstrationen in Belgrad und landesweit brachten die jugoslawische Regierung zu Fall und der Dreimächtepakt war hinfällig. Zur gleichen Zeit brachten die Briten 30.000 – 40.000 Commonwealth-Truppen in Piräus an Land. Um Griechenland unter Kontrolle NS-Deutschlands zu bringen, legten Hitler und die Armeeführung den 6. April 1941 als Tag des Angriffs gegen Jugoslawien und Griechenland fest.
Zum Angriffskrieg der NS-Wehrmacht gegen Griechenland und zu dessen Folgen für die griechische Bevölkerung
Der Angriffskrieg begann ohne Vorwarnung mit der Bombardierung Belgrads durch die Luftflotte 4 des Generalmajors Alexander Löhr am 6.4.1941. Geschätzt sind dem Bombardement 27.000 Zivilisten zum Opfer gefallen. Die Einwohner flohen aus Belgrad und die Regierung ins Ausland und Jugoslawien wurde schnelle Beute der NS-Eroberer. Gegen Griechenland begann der Angriff ebenfalls am 6.4.1941 mit dem Einmarsch von 680.000 deutschen Soldaten von Bulgarien und Jugoslawien kommend.
Im Epirus standen starke griechische Truppen unter dem Befehl des griechischen Generals Tsolakoglu, die zuvor die italienischen Truppen zurückgeschlagen hatten. Tsolakoglu widersetzte sich dem Befehl des griechischen OK zu einem taktischen Rückzug. Die griechischen Verbände sollten sich vereinen und in Mittelgriechenland zusammen mit den Commonwealth-Truppen eine Verteidigungslinie aufbauen. Am 20.4.1941 jedoch kapitulierte Tsolakoglu eigenmächtig. Somit konnte keine Verteidigungslinie aufgebaut und der Vormarsch der NS-Wehrmacht in den Süden Griechenlands und nach Athen nicht aufgehalten werden. Die Regierung und Teile der griechischen Armee und die Commonwealth-Truppen flohen nach Kreta, bzw. nach Ägypten. Am 27.4.1941 wurde von den deutschen Truppen Athen und einige Tage später der Peloponnes erobert.
Vom 20. Mai bis 1. Juni dauerte die Luftlandeoperation auf Kreta unter dem Kommando des Generals der Luftwaffe Kurt Student. Auf Kreta kämpften die griechische Armee, Commonwealth-Truppen und die Bevölkerung vereint gegen die deutschen Eindringlinge und lieferten dem XI. Fliegerkorps und der 5. Gebirgsjäger-Division erbitterten Widerstand. Hier hatten die deutschen Truppen enorme Verlust in ihrem Eroberungskrieg: 1.915 deutsche Soldaten wurden getötet, 1.759 wurden vermisst und 2.200 wurden verwundet.
Filmhinweis: EINGEBRANNT Frauen auf Kreta 1941-1945 – Film von Barbara Englert und Leonie Englert
Eine kunstdokumentarische Reise durch die Geschichte kretischer Frauen und ihrer Lebensrealitäten während der deutschen Besatzung auf Kreta von 1941-1945.
Aus dem Exposé:
„Dass Frauen ihren Platz in der Geschichte einnehmen ist lange überfällig und dennoch wird die Geschichtsschreibung auch heute noch von Männern dominiert. Aus diesem Grund lassen wir in diesem Dokumentarfilm ausschließlich Frauen über ihren Widerstand und ihren Kampf gegen die deutsche Besatzung erzählen. (…) Zweiundzwanzig Kreterinnen sprechen über ihren Widerstand, ihre Solidarität, über starke Frauen, über Ängste und Hoffnungen, ihren Überlebenskampf und den Umgang mit den Besatzern. (…) Die innere Resonanz der Erzählungen wird von Puppen gespiegelt, die den Frauen ähnlich sind. Die fein ausgearbeiteten Gesichter der Figuren geben im Film den Frauen und den von Gräsern überwucherten Steinen ihre lebendige Geschichte zurück. (…) Gedreht wurde der Film in Kooperation mit dem Filmkollektiv Obscura Lab und der Puppentheatergruppe Firdin Migdin aus Rethymno.“
Trailer | https://vimeo.com/278654471
Quelle: https://be-frankfurt.de/kunstprojekte/86-eingebrannt-frauen-auf-kreta-1941-1945-der-dokumentarfilm
Die NS-Wehrmacht reagierte auf den Widerstand mit dem verbrecherischen Befehl des deutschen Generals Student. Er befahl „Vergeltungsmaßnahmen (…) Erschießungen, Kontributionen, Niederbrennen von Ortschaften (vorher Sicherstellung aller Barmittel) (…), Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gebiete“. Die Begriffe „Vergeltungsmaßnahmen“, „Sühnemaßnahmen“ und „Geißelerschießungen“ waren alle Termini der NS-Herrenmenschen und sollte die Kriegführung der NS-Wehrmacht verschleiern, die auf eine massenhafte Vernichtung der Zivilbevölkerung abzielte. So wurde z.B. auf Kreta am 2. Juni 1941 die männliche Bevölkerung der Gemeinde Kontomari umgebracht. Am 3. Juni 1941 wurde das Dorf Kandanos völlig zerstört. Während der Besatzung Kretas wurden insgesamt 8.575 Zivilpersonen von der NS-Wehrmacht ermordet.
Die Teilnahme der kretischen Bevölkerung am Kampf gegen die Besatzer wurde zum Fanal des Widerstandes auf dem griechischen Festland. Im Februar 1942 wurden von verschiedenen linken Gruppen das „Griechische Volksbefreiungsheer“ (ELAS) gegründet. Viele republikanische Offiziere der ehemaligen griechischen Armee schlossen sich den Partisanen in den Bergen an.
Als Lohn für seine Kapitulation wurde der General Tsolakoglu zum Chef der griechischen Kollaborationsregierung ernannt. Griechenland wurde im Laufe des Jahres 1941 in Besatzungszonen unter Deutschland, Italien und Bulgarien aufgeteilt. Faktisch wurde Griechenland jedoch regiert von Günther Altenburg, dem „Bevollmächtigen des Reichs für Griechenland“ und von Generalfeldmarschall Wilhelm List, Oberbefehlshaber Südost (ab 1943 von seinem Nachfolger Generaloberst Alexander Löhr). Deutschland behielt sich gegenüber Bulgarien und Italien das Recht vor, ganz Griechenland wirtschaftlich und finanziell auszubeuten.
Mit der Eroberung Griechenlands durch die NS-Wehrmacht waren die Voraussetzungen geschaffen, das Land und seine Bevölkerung wirtschaftlich und finanziell auszuplündern und auszurauben. Die deutschen Truppen hatten bei ihrem Überfall auf Griechenland so gut wie keine Lebensmittel und Reserven bei sich, sie bedienten sich daher bei den Privathaushalten, den Bauern und den Restaurants, ohne zu bezahlen. Sie führten sich wie Herrenmenschen auf, denen alles erlaubt war. Passanten wurde auf offener Straße Schmuck, Uhren, Geld und Kleidung geraubt. Die Truppen beschlagnahmten alles, was wertvoll war und was sie als „Beutegut“ heim ins Reich abtransportieren konnten. Die Deutschen waren beim Organisieren von Plünderungen aber auch geschickter vorgegangen, sie druckten völlig wertlose Reichsmarkscheine, mit denen sie bezahlten.
Neben den einzelnen Soldaten organisierte die Besatzungsverwaltung die Ausplünderung des Landes. Noch während der Kampfhandlungen organisierten die vom Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt beim OKW eingesetzten Verbindungsoffiziere beim Generalstab der 12. Armee eine ganze Reihe von Sondereinheiten – Wirtschaftskommandos und Technische Bataillone – zur Erfassung der Beute. Im großen Stil wurden Erze, Rohstoffe, Treibstoffe, Halbfabrikate, Werkzeugmaschinen und Transportflugzeuge nach Deutschland geschafft. Sämtliche wichtigen Produktionsstätten in Griechenland wurden von den deutschen Firmen, wie Krupp, I.G. Farben, Rheinmetall-Borsig und Reemtsma AG kontrolliert. Rigoros wurden die Lager mit landwirtschaftlichen Produkten leergeräumt und nach Deutschland abtransportiert, z.B. 305 Tonnen Seidenkokons, 5.000 Tonnen Rohbaumwolle, 10.500 Tonnen Olivenöl und 80.000 Tonnen Tabak.
Nach damaligen offiziellen Angaben wurden zwischen dem 1.5.41 und dem 30.9.41 Güter im Wert von 70 Millionen Reichsmark nach Deutschland geschafft. Bis zum Frühjahr 1942 wurden 270.000 Tonnen Tabak nach Deutschland geschafft und weitere 600.000 Tonnen sollten folgen. Dies überstieg den deutschen Jahresverbrauch und versprach Tabaksteuereinnahmen in Höhe von 2,5 Mrd. Reichsmark. Für den Abtransport des Tabaks nach Deutschland hatte die Spedition Schenker ein Monopol.
Die griechische Kollaborationsregierung hatte enorme Besatzungskosten zu zahlen. Nachdem selbst große Steuererhöhungen die geforderten Beträge nicht aufbrachten, musste die Bank von Griechenland die Notenpresse laufen lassen. Waren im Jahre 1941 noch 24 Mio. Drachmen im Umlauf, so waren es ein Jahr später bereits 110 Mio. Drachmen. Im Dezember 1942 war der Geldumlauf gegenüber 1940 um 1.575 % gestiegen. Dies führte zu einer Hyperinflation, die die Besatzungskosten noch mehr in die Höhe trieb. Griechenland, das 1942 ein BIP von 756 Mio. Reichsmark aufwies, musste im gleichen Jahr ca. 2,5 Mrd. Reichsmark an Besatzungskosten aufbringen. Zur Bezahlung der sowieso schon viel zu niedrig angesetzten Preise für die griechischen Ausfuhren nach Deutschland und zur Bezahlung eigener deutscher Ausgaben wurde Griechenland am 14. März 1942 ein Zwangsdarlehn aufgezwungen, das Deutschland bis 1944 hätte zurückzahlen müssen. Die Griechen haben ihr Geld bis heute nicht wiedergesehen. (Nach den Angaben des Vize-Finanzministers Griechenlands vom April 2015 beträgt der heutige Wert 10,3 Milliarden Euro). U.a. bezahlte NS-Deutschland von dem Zwangskredit seinen Feldzug in Nordafrika und den Bau von Befestigungsanlagen auf Kreta.
Diese Ausplünderung des Landes führte bereits nach wenigen Monaten dazu, dass nicht nur die Arbeitslosigkeit stieg, dass die Masse der Bevölkerung über kein oder nur noch ein geringes Einkommen verfügte, sondern auch dass es an den nötigen Lebensmitteln im Land mangelte. Aus der bulgarischen Zone wurden keine Lebensmittel in den Rest Griechenlands transportiert. Die Bauern, die das Wenige, was sie hatten, selbst brauchten, wollten nicht an den Staat verkaufen und ein großer Teil der Lebensmittel war von den Besatzern außer Landes geschafft oder verbraucht worden.
So kam es im Winter 1941/1942 in Griechenland und vor allem unter der Bevölkerung in Athen zu einer großen Hungersnot. Im Winter 1941 wurden in Athen nach offiziellen Statistiken 600 – 700 und im Januar 1942 sogar 1.000 Hungertote täglich gezählt. Nach griechischen Schätzungen liegt die Zahl der Hungertoten bei 800.000 während der Besatzungszeit. Historiker halten Schätzungen von 250.000 im Winter 41/42 für realistisch. 1942 betrug in Athen die über Marken zu beziehende Brotration 100 Gramm pro Tag. Drei Viertel der Athener Stadtbevölkerung war von Speisungen durch Hilfsorganisationen abhängig.
Deutschland und Italien kamen im Winter 1941/1942 überein Lebensmittel nach Griechenland zu liefern. Während Italien die Vereinbarung einhielt, lieferte Deutschland nur ein Viertel der zugesagten Menge. Angesichts der Hungersnot lockerten die Briten im Februar 1942 die Seeblockade (einmalig im 2. Weltkrieg), damit das neutrale Schweden und das Rote Kreuz Hilfslieferungen über den Hafen von Piräus nach Griechenland schaffen konnten. Infolge der Hungersnot breiteten sich epidemische Krankheiten aus, an denen bis zu 1/3 der Griechen erkrankten.
Nachdem die Besatzungszonen eingerichtet waren, begann NS-Deutschland mit dem Abzug seiner Truppen, um diese im Krieg gegen die Sowjetunion einzusetzen. Im März 1942 befanden sich noch 72.000 deutsche Soldaten in Griechenland.
Um die katastrophale Wirtschaftslage in Griechenland in den Griff zu bekommen, wurde im Oktober 1942 Hermann Neubacher, ehemaliger Chef des I.G. Farbenkonzerns als „Sonderbeauftragter für wirtschaftliche und finanzielle Fragen Griechenlands“ ernannt. Um ihn rankt sich die Legende, er habe die Ausfuhr von Lebensmitteln gestoppt und die Besatzungskosten reduziert. Jedoch wie verhielt es sich hiermit?
Deutschland hätte kaum weiterhin Lebensmittel aus Griechenland beziehen können, während gleichzeitig das IRK ganze Schiffe mit Getreide als Hilfslieferung von Kanada nach Griechenland schaffte. Und was die Besatzungskosten betraf, so setzte Neubacher um, was im Februar 1943 in einer großangelegten Besprechung unter Vorsitz von Hitler als Geldbedarf der Wehrmacht in Griechenland – nämlich 20 Mrd. Drachmen pro Monat – festgelegt wurde. Neubacher schaffte dies, ohne die Notenpresse zu beanspruchen, indem er das den Juden geraubte Gold sukzessive an der Börse Athens über die griechische Notenbank verkaufte. Damit stabilisierte er die Drachme und die griechische Kollaborationsregierung konnte mit dem jeweils erzielten Erlös die fällig werdenden Besatzungskosten bezahlen. So bezahlten die Juden Thessalonikis mit dem ihnen geraubten Eigentum die Wehrmacht in Griechenland. Nach 1945 brüstete sich Neubacher hiermit und gab sich als wahrer Menschenfreund aus.
Durch die Sprengung der Gorgopotamos-Eisenbahnbrücke durch britische Offiziere zusammen mit Andárten am 12. November 1942 wurde die Zugverbindung zwischen Thessaloniki und Athen für mehrere Wochen unterbrochen und der Nachschub für die deutschen Truppen in Nordafrika empfindlich gestört. Zugleich wirkte die Sprengung wie ein Fanal und die Andárten (was in etwa nationale Freiheitskämpfer bedeutet) erhielten zunehmende Unterstützung und Zulauf.
Im Kampf gegen die Andárten wurden von Einheiten der Wehrmacht massenweise sogenannte „Geiseln“ erschossen und Dörfer geplündert und niedergebrannt. General Keitel hatte mit Befehl vom 16.2.1941 angeordnet für jeden toten Deutschen 100 und für jeden verwundeten Deutschen 50 sogenannte „Geiseln“ zu erschießen.
Am 18. Oktober 42 erließ Hitler den Befehl, jeden Gegner „auch wenn es sich äußerlich um Soldaten in Uniform oder Zerstörertrupps mit oder ohne Waffe handelt, im Kampf oder auf der Flucht bis auf den letzten Mann niederzumachen“.
Am 28.10.42 formulierte Generaloberst Löhr, der kurze Zeit später zum „Oberbefehlshaber Südost“ ernannt wurde, einen Zusatzbefehl: „Demgemäß sind die Träger dieses Kampfes – ganz gleich, welcher Richtung sie angehören – nicht als Angehörige einer bewaffneten Macht zu betrachten (…) Freiwilliges Ergeben ändert nichts daran. Alle auftretenden Feindgruppen sind unter allen Umständen bis auf den letzten Mann niederzumachen. Erst wenn jeder Aufständische weiß, dass er in keinem Falle mit dem Leben davonkommt, ist zu erwarten, dass die Besatzungstruppen Herr jeder Aufstandsbewegung werden.“
Am 16.12.1942 erging folgender Befehl Keitels: „Die Truppe (…) ist berechtigt und verpflichtet, in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es zum Erfolg führt“.
Im Winter 1942 und Frühjahr 1943 hatten die griechischen Aufständischen weite Teile des Landes befreit und die italienischen Streitkräfte in ihre Stützpunkte und in die großen Städte zurückgedrängt. Im Frühjahr 1943 griffen die Partisanen auch immer häufiger die deutschen Truppen an. Als 1943 durch die Niederlagen der Truppen NS-Deutschlands in der Sowjetunion und in Nordafrika Griechenland als mögliches Landungsgebiet für alliierte Truppen wieder in den Fokus rückte, wurde unter Generaloberst Löhr in Griechenland die Heeresgruppe E neu gebildet. Sie verfügte über 275.000 deutsche und 55.000 bulgarische Soldaten.
Die 1. Gebirgsdivision der XII. Deutschen Gebirgsarmee mit 15.000 Soldaten und Offizieren, die als Eliteeinheit bei der Partisanenbekämpfung galt, fiel im Juli 1943 von Albanien kommend in den Epirus ein und verübte in Griechenland ungeheuerliche Massaker u.a. in Kefalovriso, Mousiotitsa, Kommeno, Fanari, Kefalonia, Korfu, Paramythia, Agioi Saranda, Lingiades und Perivoli. Die Gebirgsjäger mit dem Edelweiß vernichteten ganze Dörfer, töteten die Bewohner und raubten alles, was sie nur fortschaffen konnten. Terror sollte Angst und Schrecken verbreiten und die griechische Bevölkerung in die Knie zwingen.
30. Mai 2018 Dr. Peter Milde
(Die Veröffentlichung des Vortrags wird im nächsten FIPS NEWS mit dem Abschnitt „Zu den Verbrechen der 117. Jägerdivision der deutschen Wehrmacht auf dem Peleponnes“ fortgesetzt).