August 2021 – FIPS-NEWS NR. 36: PERSÖNLICHE KINDERRECHTE
Editorial
Wir möchten uns bei den Leser:innen und Freund:innen von FIPS-News entschuldigen für die lange Pause, in der Sie auf unsere Newsletter und Infos verzichten mussten.
Wir werden jedoch die ausgefallenen Newsletter nachholen, d.h. wir werden nun im wöchentlichen Rhythmus erscheinen.
Auf vielfachen Wunsch unserer Leser:innen wollen wir die einzelnen Newsletter kürzer fassen. Dies hat zur Folge, dass bei längeren Texten, diese in Fortsetzungen erscheinen werden. Wir hoffen, dass darunter der Zusammenhang der Texte nicht all zu sehr leiden wird.
In diesem Newsletter werden wir nochmals auf das Thema Kinderrechte eingehen. Ein älterer Text von KinderRÄchtsZÄnker beschäftigt sich mit den „persönlichen Rechten“ aus der Sicht der Kinder. Ein aktueller Text setzt sich für das Wahlrecht für „Alle“ ein. Nachdem 2019 Menschen mit einer gesetzlichen „Betreuung“ und gesetzlich „Unterbrachte“ das Wahlrecht erhielten, sind Personen unter 18 Jahren und Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die in Deutschland arbeiten und leben, vom Wahlrecht ausgeschlossen. FIPS nimmt hierzu Stellung.
In dem nächsten FIPS-Newsletter beginnen wir eine Artikelserie mit dem Titel „Zur Geschichte des demokratischen Kampfes gegen Judenfeindschaft – Über den Zusammenhang von Ökonomie, Politik und Judenfeindschaft“.
11. Mai 2022 Peter Milde
Aus der Sicht der Kinder: Die zwölf persönlichen Rechte der Kinder
- Du hast das Recht, dein Verhalten, deine Gefühle und deine Gedanken selber zu beurteilen und brauchst dich dafür weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen.
- Du hast das Recht, deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse ebenso ernst zu nehmen, wie die anderen Menschen.
- Du hast das Recht, Fehler zu machen und die Folgen zu tragen.
- Du hast das Recht, anderen eine Bitte abzuschlagen, ohne dich schuldig zu fühlen und für egoistisch zu halten.
- Du hast das Recht, deine Meinung zu äußern.
- Du hast das Recht, „unlogisch“ zu sein.
- Du hast das Recht, selber zu entscheiden, ob du das, was dir andere als Fehler vorwerfen, ändern willst.
- Du hast das Recht, selber zu beurteilen, ob du für die Lösung der Probleme anderer Menschen mitverantwortlich bist.
- Du hast das Recht, Fragen nicht zu beantworten.
- Du hast das Recht zu sagen: „Ich verstehe nicht.“
- Du hast das Recht zu sagen: „Ich weiß nicht“, wenn andere sagen: „Was wäre, wenn alle so dächten wie du?“.
- Du hast das Recht, „Nein“ zu sagen, ohne dieses Nein zu begründen.
Quelle: KinderRÄchtsZÄnker
Wahlrecht für Alle, die ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben.
Abschaffung der Altersbeschränkungen für das Wahlrecht.
Die Realität in Deutschland schließt Millionen Bürger:innen in Deutschland vom allgemeinen und gleichen Wahlrecht aus.
- Es dürfen nur Deutsche wählen, d.h. Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft.
- Es dürfen nur Deutsche wählen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
Beides halten wir für falsch, ungerecht und antiquiert.
Menschen mit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft gehen in Deutschland zur Schule, machen eine Berufsausbildung oder ein Studium, gehen arbeiten, leben in Deutschland und engagieren sich für die Gesellschaft im allgemeine und ihre Mitbürger:innen im konkreten in vielfältiger Weise.
Millionen von Ihnen dürfen jedoch nicht wählen, nur weil sie die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben, obgleich sie Teil der deutschen Gesellschaft sind. Als Arbeitskräfte, etwa in der Pflege, in der Industrie oder in der Landwirtschaft sind sie uns willkommen, als politisch gleichberechtigte Bürger jedoch nicht. Viel wird von Integration in die deutsche Gesellschaft gesprochen, aber die Integration findet viele Grenzen – auch beim allgemeinen und gleichen Wahlrecht.
Wir setzen und daher dafür ein, dass Alle, die in Deutschland leben und ihren Wohnsitz hier haben, – auch diejenigen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben – das allgemeine Wahlrecht erhalten. Sie sollen automatisch n das Wählerverzeichnis der Gemeinde eingetragen werden, in der sie ihren Wohnsitz haben.
Nicht anders sieht es für Millionen von Kindern und Jugendlichen aus:
Alle unter 18 Jahren sind (bis auf wenige Ausnahmen, wo in einigen Bundesländern ein Wahlrecht ab 16 Jahren in den Kommunen gilt) aktuell vom Wahlrecht ausgenommen. Dass Kinder und Jugendlichen verboten ist zu wählen, bedeutet, dass Kinder und Jugendliche für gesellschaftlich und politisch unmündig gehalten und die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht ernst genommen werden. Es bedeutet auch, dass Erwachsene meinen, sie könnten und dürften stellvertretend für Kinder und Jugendliche entscheiden.
Sowohl die Altersgrenze für die Volljährigkeit wie auch für das Wahlrecht, ist keine „natürliche“ Altersgrenze. Sie ist eine gesellschaftlich gezogene Grenze. Das Verbot zu wählen für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist genauso „gesetzlich“ festgelegt, wie es das Verbot des Wahlrechts für Frauen war. Solche Verbote spiegeln die Entwicklung der Demokratie und des demokratischen Selbstverständnisses einer Gesellschaft wider. Es ist erst wenige Jahrzehnte her, dass Jugendlichen ab 18 Jahren das Wahlrecht zugestanden wurde, davor lag die Altersgrenze bei 21 Jahren.
Mit einer derzeit vielfach in den Medien und den Parteien diskutierten Herabsetzung der Altersgrenze der Wahlberechtigung auf 16 Jahren ist FIPS nicht einverstanden. Dies spiegelt zwar die allgemeine Tendenz der Herabsetzung des Wahlalters wider, ist jedoch vom Grundsatz her genauso wenig demokratisch wie ein Wahlalter ab 18 Jahren.
Von Einigen wird im aktuellen Diskurs auch 14 Jahre als Wahlaltersgrenze vorgeschlagen. Jugendliche seien ab 14 Jahren einsichtsfähig und mündig, um die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, um die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht zu treffen, um bestraft zu werden oder sogar ins Gefängnis zu kommen.
Doch auch diese Altersgrenzen würden weiterhin Millionen Kinder und Jugendliche vom Wahlrecht ausschließen.
In den Jugendverbänden zählen Kinder ab 12 Jahren zu den Jugendlichen. Dies hat seine Gründe. Kinder und Jugendliche sind dann bereits in der Lage verantwortlich für sich und andere zu handeln, Rücksicht zu nehmen, Vereinbarungen zu treffen und einzuhalten, Argumente abzuwägen, persönliche von allgemeinen Interessen zu trennen, sich von Autoritäten abzugrenzen und ihre eigene Meinung zu vertreten. Sicherlich ist dies auch ein Reifeprozess und damit nicht punktgenau mit einem bestimmten – noch dazu bei allen gleichem – Alter abgeschlossen. Dies rechtfertigt jedoch kein von außen ausgesprochenes Verbot unter einem bestimmten Alter wählen zu dürfen, egal welche Altersgrenze festgelegt wird.
Oft wird Kindern und Jugendlichen vorgeworfen, sie würden sich zu wenig politisch interessieren, aber oft verbreiten die gleichen Personen dieses Vorurteil, die den Kindern und Jugendlichen die Fähigkeiten absprechen, sich „vernünftig“ politisch zu engagieren und sich daher für eine Altersbeschränkung des Wahlrechts einsetzen.
Kinder und Jugendliche stellen jedoch durch ihr gesellschaftliches Engagement, durch ihr Interesse an gesellschaftlichen und politischen Themen und Entscheidungen täglich unter Beweis, dass sie mitreden und mitentscheiden wollen und können. Ihr Einsatz für eine gerechte und ökologische Gesellschaft – nicht nur in Worten sondern auch in Aktionen – wie z.B. die fridays for future – Jugendbewegung erneut unter Beweis stellt, zeigt, wie viel Kinder und Jugendliche zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen.
FIPS setzt sich daher für ein Wahlrecht ohne Altersbegrenzung ein. Wie soll dies funktionieren?
Kinder und Jugendliche sollen grundsätzlich das Wahlrecht erhalten. Sie sollen mit dem 12. Geburtstag automatisch in das Wählerverzeichnis ihrer Heimatgemeinde eingetragen werden. Auch jüngeren Kindern sollte das Wahlrecht gewährt werden. Sie sollten das Recht haben, sich an ihrem Wohnsitz unabhängig von ihrem Alter selbst für alle Wahlen eintragen zu können, wenn sie der Auffassung sind, dass sie politisch mit entscheiden wollen.
11. Mai 2022 Dr. Peter Milde
(siehe auch: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen: Wahlrecht für Jugendliche und ältere Kinder, Stuttgart 2017, http://www.wir-wollen-waehlen.de/media/files/download/srzg_positionspapier_wahlrecht_2017.pdf)